Verfallener Urlaub trotz unterbliebener Belehrung: Arbeitgeber muss durchgängige Arbeitsunfähigkeit beweisen

Wenn sich der Arbeitgeber darauf beruft, dass Urlaubsansprüche eines Arbeitnehmers erloschen sind, weil der Arbeitnehmer während des gesamten Urlaubsjahres arbeitsunfähig erkrankt oder erwerbsgemindert war, trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Bildquelle: MasterTux / pixabay.com

Das Landesgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden: Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast, wenn er sich darauf beruft, dass Urlaubsansprüche eines Arbeitnehmers erloschen sind, weil der Arbeitnehmer während des gesamten Urlaubsjahres arbeitsunfähig erkrankt oder erwerbsgemindert war.

Im konkreten Fall war der betreffende Arbeitnehmer seit 1998 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt, seit Oktober 2006 aber dauerhaft arbeitsunfähig. Dadurch erhielt er mehrfach eine befristete Erwerbsminderungsrenten, ab Juni 2019 eine Dauerrente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Ende September 2026. Der Arbeitnehmer übersandte seinem Arbeitgeber den Rentenbescheid und wies auf die damit verbundene Beendigung des Arbeitsverhältnisses hin. Zudem verlangte er, dass die ihm noch zustehenden Urlaubstage seit dem Jahr 2006 abgegolten werden. Der Arbeitgeber wollte aber nur die Urlaubsabgeltung von 2018 und 2019 zahlen.

Daher klagte der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht. Der Arbeitgeber habe ihn nicht über das Bestehen und den drohenden Verfall von Urlaubsansprüchen belehrt. Vielmehr seien die Ansprüche seit 2006 jeweils in das Folgejahr übertragen worden und hätten sich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Zahlungsansprüche verwandelt. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Begründung: Die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers bis 2017 seien verfallen, weil keine Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers bei der Verwirklichung des Urlaubs gegenüber dem langzeiterkrankten Arbeitnehmer bestanden hätte.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG) bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Arbeitgeber sei zwar grundsätzlich verpflichtet, den Arbeitnehmer über das Bestehen und den drohenden Verfall von Urlaubsansprüchen zu informieren. Andernfalls blieben die Urlaubsansprüche bestehen. Dies gelte allerdings nicht, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres arbeitsunfähig beziehungsweise voll erwerbsgemindert war. Der Urlaubsanspruch verfalle nach Ablauf der 15-Monatsfrist, ganz gleich, ob der Arbeitgeber seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen ist. Ausschlaggebend sei hier allein die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitsnehmers.

Auch die Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus dem Jahr 2006 kam nicht zum Tragen. Der Arbeitgeber trage zwar die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer während des gesamten Urlaubsjahres arbeitsunfähig erkrankt oder erwerbsgemindert war und der Urlaubsanspruch trotz Versäumung der arbeitgeberseitigen Mitwirkungspflicht erloschen ist. Dagegen muss der Arbeitnehmer aber aufgrund seiner Sachnähe die wesentlichen Tatsachen darlegen, wenn der Arbeitgeber außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs steht. Im vorliegenden Fall war strittig, ob der Arbeitnehmer zwischen der Erkrankung seit Jahresbeginn 2006 bis zum 29. Juli 2006 und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Ende September 2006 arbeitsunfähig erkrankt war oder nicht. Im Hinblick auf den langwährenden Krankengeldbezug und die anschließende Rentenbewilligung sowie die zeitliche Distanz zum Geschehen hätte der Arbeitnehmer aus Sicht des LAG darlegen müssen, aufgrund welcher besonderen Umstände in dem Intervall von zwei Monaten ab Ende Juli 2006 Arbeitsfähigkeit eingetreten sein soll und weshalb die Rentenversicherung dennoch für die Zeit ab Oktober 2006 eine volle Erwerbsminderung angenommen hat.

Den ursprünglichen Artikel finden Sie in der August-Ausgabe des Newsletters unseres Partnerverbands VAA – Führungskräfte Chemie.

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